Frauenministerin Anne Spiegel und Drehbuchautorin Dr. Andrea Stoll sprechen auf Einladung der GRÜNEN Landtagsfraktion im vollbesetzten Saal über den Kampf um Gleichberechtigung zu Zeiten Marie Curies bis heute.
Rund 90 Gäste, die meisten von ihnen Frauen, waren am Montagabend der Einladung der Landtagsfraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gefolgt. Gemeinsam mit der rheinland-pfälzischen Frauenministerin Anne Spiegel und der Drehbuchautorin Dr. Andrea Stoll tauschten sie sich im Institut Français unter dem Titel „Starke Frauen“ über Frauenrechte in der Vergangenheit und heute aus. Den roten Faden des Gesprächs, das von der Parlamentarischen Geschäftsführerin der Fraktion, Pia Schellhammer, moderiert wurde, bildete die Biografie der Nobelpreisträgerin und ersten weiblichen Professorin an der berühmten Pariser Universität Sorbonne, Marie Curie (1867-1934). Im gleichnamigen Film der Drehbuchautorin Dr. Andrea Stoll, der im Anschluss an das Gespräch im restlos besetzten Kinosaal des CinéMayence gezeigt wurde, wird das Leben der berühmten Wissenschaftlerin in poetischen Bildern und mit einem intimen Blick auf die zwischenmenschlichen Beziehungen porträtiert.
Bereits im Grußwort legte die frauenpolitische Sprecherin der Fraktion, Jutta Blatzheim-Roegler, den Finger auf das bis heute virulente Thema der Gleichberechtigung von Männern und Frauen. „Wir feiern in diesem Jahr 100 Jahre Frauenwahlrecht, aber noch immer sind in den Parlamenten viel mehr Männer als Frauen vertreten. Frauen bekommen weniger Geld als ihre männlichen Kollegen, arbeiten allzu oft im Niedriglohnsektor, sind häufiger von Altersarmut betroffen und ihre Durchsetzungsfähigkeit wird immer wieder infrage gestellt. Das zeigt, dass Frauen in unserer Gesellschaft nach wie vor strukturell benachteiligt werden und dass die Frauenbewegung noch lange nicht am Ziel angekommen ist. Immerhin dokumentieren öffentliche Debatten wie #metoo, dass die Frauenbewegung stark ist und Frauen weiterhin für ihre Rechte eintreten.“
Die Autorin des Drehbuchs von „Marie Curie“, Dr. Andrea Stoll, betonte, dass sich die Bedingungen für Frauen in der Berufswelt, der Öffentlichkeit und den Familien seit der Zeit Marie Curies stark verändert haben. Im ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhundert war es der überwiegenden Mehrheit der Frauen nicht gestattet, ihr Leben nach ihren Vorstellungen zu gestalten. Die Urteils- und Entscheidungsfähigkeit von Frauen wurde systematisch negiert; so war es Frauen unter anderem nicht erlaubt, einen Beruf zu ergreifen oder diesen frei zu wählen, sich öffentlich zu versammeln oder zu wählen und so für ihre Überzeugungen einzutreten. Gegen diese Missstände lehnte sich die erste Frauenbewegung auf, deren Zeitzeugin Marie Curie war. Zwar engagierte sie selbst sich nicht aktiv in der Frauenbewegung; durch ihre herausragenden wissenschaftlichen Leistungen und ihr selbstbestimmtes Leben wurde Marie Curie dennoch für viele Frauen weltweit zu einem Vorbild und zur wichtigen Gallionsfigur im Kampf um Gleichberechtigung. Bis heute ist Marie Curie die einzige Frau, die zwei Nobelpreise erhielt und dies zu einer Zeit, in der Frauen vielerorts das Studium verboten war.
Dass Frauen heute einen Beruf ergreifen und selbstverständlich an Wahlen teilnehmen sind wichtige Errungenschaften der Frauenbewegungen des 19. und 20. Jahrhunderts. Dennoch ist die vollständige Gleichberechtigung auch 100 Jahre nach der Einführung des Frauenwahlrechts längst nicht erreicht, wie auch Frauenministerin Anne Spiegel betonte. Gerade das Berufsleben sei nach wie vor ein Feld, auf dem sich die Ungleichbehandlung von Männern und Frauen in besonderem Maße zeige. Zwar liegt der Anteil von Abiturientinnen und Hochschulabsolventinnen inzwischen bei ca. 50 % und die Abschlusszensuren sind denen der männlichen Kollegen häufig überlegen; die Spitzenpositionen in Wirtschaft, Wissenschaft und Politik werden dennoch nach wie vor überproportional oft von Männern besetzt. Frauen bleibt der Zugang zu diesen Ebenen verwehrt, da an ihrer Qualifikation gezweifelt wird, Mutterschaft und Führungskompetenzen als unvereinbar gelten und oft schlicht die Vorbilder fehlen, sodass die meist männlichen Entscheider Vorstände weiterhin eher homogen männlich besetzen. Um diese Strukturen nachhaltig zu verändern, braucht es laut Anne Spiegel neben mehr Gleichberechtigung im Beruf vor allem auch mehr Gleichberechtigung in den Familien. So könne es nicht darum gehen, Frauen dazu zu bewegen sich noch mehr zu verausgaben, stattdessen müssten die Lasten der Erziehungs-, Pflege- und Hausarbeit endlich gleich verteilt werden. Erst dann hätten Frauen überhaupt die Kapazitäten für die berufliche und persönliche Entfaltung.
All diese Schritte können nur getan werden, wenn Entscheider und Entscheiderinnen von der Notwendigkeit und Wirkmacht der Gleichstellung von Frauen und Männern restlos überzeugt sind und die Bereitschaft zeigen, entsprechende Wege zu gehen. Dementgegen stehen jedoch allzu oft veraltete Geschlechterbilder und mehr oder minder verhohlener Sexismus, wie er im Rahmen der #metoo-Debatte weltweit angeprangert wurde und wird. Besonders im Umfeld von Film und Fernsehen, wo die Debatte ihren Ausgang nahm, habe #metoo große Wellen geschlagen, betonte auch Dr. Andrea Stoll und es sei gut, dass damit endlich der in der Branche allgegenwärtige Sexismus thematisiert werde. Die zahllosen Berichte in den sozialen Medien zeigen jedoch, dass Sexismus ein Thema ist, das Frauen jeden Alters und jeglicher gesellschaftlicher Position trifft. Es ist daher unabdingbar, eine breit angelegte gesellschaftliche Debatte anzustoßen. Die Kampagne LAUT♀STARK des Frauenministeriums unter der Federführung von Ministerin Anne Spiegel soll Frauen ermächtigen, ihre Stimme gegen Sexismus und sexualisierte Gewalt zu erheben. Zu diesem Zweck haben sich Botschafterinnen und Botschafter gefunden, die mit ihrer Persönlichkeit und ihrem Gesicht für die Kampagne werben; unter ihnen ist auch die Drehbuchautorin Dr. Andrea Stoll.
Die Erkenntnis des Abends lässt sich mit den Worten Jutta Blatzheim-Roeglers folgendermaßen zusammenfassen: „Weibliche Vorbilder wie Marie Curie, die sich trotz aller Widrigkeiten als Wissenschaftlerin im Patriarchat behauptet hat, geben Mut. Nichtsdestotrotz: Der Kampf für Frauenrechte und eine Gleichstellung, die den Namen verdient, ist so aktuell wie eh und je“.